christian bernhardt schreibt prosatexte.
 


 

about meine walderde

heute bin ich in einen alten wald gefahren, weil ich die schwarze walderde riechen wollte. weil ich wusste, ich konnte nicht länger warten, ich musste sie heute noch riechen. mit dem regionalzug aus der stadt und dann mit dem mitgenommenen rad auf den waldwegen fuhr ich immer tiefer in diesen wald, wobei, so groß ist er gar nicht. ich hatte eine feste braune papiertüte mitgenommen, denn ich wollte aus dem waldboden, von dieser lebendigen schwarzen erde, einige hände voll dem wald wegnehmen, diese lebendige erde in die tüte füllen und sie mitnehmen, um später wieder an dieser noch frischen erde zu riechen, mich danach zu meinem weißen tisch zu drehen, um dann zu beschreiben, dahinzuschreiben, was ich da rieche, was aus der in meinen händen noch feuchten erde in meinen körper hineinströmt, was mein körper mir daraufhin mitteilt und welche gedanken und erzählungen aus diesem geruch entstehen oder auch einfach plötzlich da sind. ich erwartete kein wunder von dieser aus seinem wald geraubten walderde, auch wenn sie selbst, dieser unglaubliche humus, scheinbar eine art erdwunder ist, dachte ich jetzt, jedenfalls komplex und meist unverstanden. ich erwartete nicht, dass es von selbst passiert, aber es könnte passieren, dachte ich, und wenn nicht, ich kann auch ohne eine unmittelbare erscheinungen aus der walderde selbst ein wort- und satzmaterial aus dieser mitgenommenen walderde denken. vielleicht würde ich vergleichen, erinnert mich an, und so weiter. trotzdem brauche ich für meinen beschreibungsversuch oder diese beschreibungsarbeit die lebendige walderde selbst, ohne sie geht es nicht. oder etwa doch? jedenfalls brauche ich diese beschreibung, ich brauche sie jetzt, weil ich an einem längeren dystopischen text über den wald schreibe. annie dillard schreibt in writers life: It should surprise no one that the life of the writer - such as it is - is colorless to the point of sensory deprivation. Many writers do little else but sit in small rooms recalling the real world. tatsächlich bin ich gar nicht in den wald gefahren, noch nicht, auch wenn ich geschrieben habe, heute bin ich in einen alten wald gefahren. ich bin nicht in einen alten wald gefahren, ich habe es mir nur vorgestellt und habe es sofort aufgeschrieben, weil ich das jetzt für einen guten \"about\"-text hielt oder halte und sogleich damit beginnen wollte, den text aufzuschreiben. dennoch will ich noch in diesen alten wald fahren, immer noch und ich habe es auch schon einmal genauso gemacht und habe mich jetzt daran erinnert. ich würde jetzt wieder an die gleich stelle in dem wald fahren. es ist nicht dieser eine wald, von dem oder in dem der längere text handelt. auch von dort habe ich schon damals eine kleinere tüte erde mitgebracht, eine plastiktüte damals, aber ich habe den geruch nicht beschrieben, es ging um etwas anderes, und der waldboden war eingesperrt in plastik. damals war mein waldtext, für den ich jetzt die erde wieder brauche, noch kurz. nun habe ich aber schon mehrere stellen geschrieben, in dem die textfigur der walderde im wald sehr nahe kommt und ich brauche jetzt den geruch der walderde, um daraus den text entstehen zu lassen, der den geruch beschreibt, den die textfigur riecht. und mehr.</p>\r\n<p>ich nehme beide hände voll von schwarzer kühler und feuchter walderde und senke mein gesicht in diese erde um den pilzigen, erdigen erdgeruch zu riechen. oder wonach riecht also die walderde? dann schreibe ich auf, dass ich die erde rieche, dann schreibe ich auf, dass ich aufschreiben kann, dass ich die erde rieche, die feuchte erde, danke liebe unschuldige schwarze walderde. denn wenn jet noch irgendetwas unschuldig sein kann, dann bist du es. tatsächlich war die walderde schon immer unschuldig, die walderde und der wald, das alles ist jetzt von schuld umstellt, sie kommt nicht aus dem wald.</p>\r\n<p>über mein vorheriges about, sagte sie, es sei nicht besonders zweckmäßig, denn ich würde mich darin verstecken, in seiner umständlichkeit, oder seiner unverständlichkeit, und deshalb sei es kein about. habe ich mich schon wieder versteckt? jetzt im wald, tief in der walderde?</p>\r\n\r\n\r\n

 

<p>tatsächlich bin ich gar nicht in den wald gefahren, noch nicht, auch wenn ich geschrieben habe, heute bin ich in einen alten wald gefahren. ich bin nicht in einen alten wald gefahren, ich habe es mir nur vorgestellt und habe es sofort aufgeschrieben, weil ich das jetzt für einen guten \"about\"-text hielt oder halte und sogleich damit beginnen wollte, den text aufzuschreiben. dennoch will ich noch in diesen alten wald fahren, immer noch und ich habe es auch schon einmal genauso gemacht und habe mich jetzt daran erinnert. ich würde jetzt wieder an die gleich stelle in dem wald fahren. es ist nicht dieser eine wald, von dem oder in dem der längere text handelt. auch von dort habe ich schon damals eine kleinere tüte erde mitgebracht, eine plastiktüte damals, aber ich habe den geruch nicht beschrieben, es ging um etwas anderes, und der waldboden war eingesperrt in plastik. damals war mein waldtext, für den ich jetzt die erde wieder brauche, noch kurz. nun habe ich aber schon mehrere stellen geschrieben, in dem die textfigur der walderde im wald sehr nahe kommt und ich brauche jetzt den geruch der walderde, um daraus den text entstehen zu lassen, der den geruch beschreibt, den die textfigur riecht. und mehr.</p>\r\n<p>ich nehme beide hände voll von schwarzer kühler und feuchter walderde und senke mein gesicht in diese erde um den pilzigen, erdigen erdgeruch zu riechen. oder wonach riecht also die walderde? dann schreibe ich auf, dass ich die erde rieche, dann schreibe ich auf, dass ich aufschreiben kann, dass ich die erde rieche, die feuchte erde, danke liebe unschuldige schwarze walderde. denn wenn jet noch irgendetwas unschuldig sein kann, dann bist du es. tatsächlich war die walderde schon immer unschuldig, die walderde und der wald, das alles ist jetzt von schuld umstellt, sie kommt nicht aus dem wald.</p>\r\n<p>über mein vorheriges about, sagte sie, es sei nicht besonders zweckmäßig, denn ich würde mich darin verstecken, in seiner umständlichkeit, oder seiner unverständlichkeit, und deshalb sei es kein about. habe ich mich schon wieder versteckt? jetzt im wald, tief in der walderde?</p>\r\n\r\n\r\n